Vom Krokodil und dem Schwarzen Männle in der Spitalkelter
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Die Sage vom Keltergeist und vom Krokodil
"[Das reiche Katharinen-Spital hatte einst eine stattliche Kelter, denn es gehörten zahlreiche Weinberge zum Besitztum des Spitals. Viele Bewohner der Stadt boten ihre Hilfe bei der Weinlese an und wirtschafteten wohl auch in die eigene Tasche.] Es soll in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts gewesen sein. In der Spitalkelter herrschte wieder einmal Hochbetrieb, [… es wurde betrogen und gestohlen]. Da tat es plötzlich einen gewaltigen Schlag und aus dem dunklen Hintergrund der nur notdürftig erhellten Kelter kam ein kohlrabenschwarzes Männlein geflogen. Kichernd setzte es sich auf den hintersten Kelterbaum, drohte den Leuten und begann zu zetern und zu schimpfen. Er sei der Keltergeist des Spitals und es sei offenbar höchste Zeit, dass er wieder einmal nach dem Rechten sehe. Und während die Lichter in der Kelter erloschen, hörte man die Schreie derer, auf deren Rücken aus der Dunkelheit eine kräftige Tracht Prügel niedersauste.
Außer sich über die unerhörten Vorfälle in der Spitalkelter, beriet sich der Vogt mit seinen Helfern, darunter auch dem Keller- und Keltermeister. Er fürchtete das ganze Spital könne in Verruf kommen, hatte doch erst kurz zuvor ein fürchterliches Krokodil in den Kellern des Spitals unter dem Marktplatz einen Küfer gefressen. […] Den Kellermeister aber, ausgerechnet ihn ließen Krokodil und Teufele gelassen. Er kenne die beiden schon lange, bekannte er nun. Den Keltergeist dürfe er schon längst als seinen Freund betrachten, und das Krokodil habe sich im Laufe der Zeit offenbar auch an ihn gewöhnt. […] Nicht böse Geister, wie der Vogt befürchtet hatte, trieben in der Kelter ihr Unwesen. Ganz im Gegenteil: Der Keltergeist habe sich doch jetzt erst wieder als sein treuester Gehilfe bewährt. Er und das Krokodil erschienen nämlich nur dann für jedermann sichtbar in der Kelter, wenn es gelte, die gestörte Ordnung wiederherzustellen. Der Keltermeister schlug vor, die winkelige alte Kelter abzureißen und an ihrer Stelle eine neue zu bauen, in der man besser Ordnung halten könne. Und so geschah es. Zum Dank aber für seine guten Dienste setzte man dem schwarzen Teufele, dem Keltergeist, ein bleibendes Denkmal. Am Kielmeyerhaus ist es bis heute zu sehen."
(Aus: Dorothee Bayer, Esslinger Heimatbuch, S.137-138. Esslingen, 1982.
Einige Passagen [sind frei nacherzählt])