Die Sage vom Postmichel
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wohlhabende Esslinger Bürger Amandus Marchthaler erschlagen. Sein Tod blieb ungesühnt, denn vom Mörder fehlte jede Spur. […] Mehr als zwei Jahre später [fand] der Postreiter Michel Banhard auf seinem täglichen Ritt von Esslingen nach Stuttgart und wieder zurück einen wertvollen Ring. Er wusste nicht, dass [an eben dieser Stelle Jahre zuvor ein Mord begangen wurde. Um den Ring sicher nach Esslingen zu bringen, wo er ihn als Fundstück abgeben wollte, steckte der Postreiter ihn sich an den Finger. Bei seiner Rast in einem Wirtshaus fiel der Ring den Trinkkumpanen auf, die sich erinnerten, dass es sich um den Ring des ermordeten handelte.] Das bestätigte kurz darauf auch der Neffe des Ermordeten, Matthäus von Welz, der mittlerweile das Erbe seines reichen Onkels angetreten hatte.“
[Dem Postmichel wurde der Mord an Amandus Marchthaler vorgeworfen. Trotz seiner Unschuldsbeteuerungen wurde er so lange im Wolfstor eingesperrt und gefoltert, bis er schließlich den Mord gestand und zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde.] Sein letzter Wunsch wurde ihm erfüllt: er durfte auf seinem Roß zum Richtplatz reiten und dabei noch einmal sein Posthorn blasen. […] Auf dem Richtplatz aber beteuerte der Postmichel noch einmal seine Unschuld und kündigte an, er werde künftig alljährlich in der Michaelisnacht vor dem Haus des Scharfrichters in Stuttgart und auch in Esslingen sein Posthorn blasen, so lange, bis der wahre Mörder Marchthalers gefunden und gerichtet sei.
[…] Pünktlich an Michaelis (29. September) des darauf folgenden Jahres erwachte der Henker in Stuttgart durch den schaurigen Ton eines Posthorns. [Er sah einen gespenstischen Reiter auf einem Schimmel Richtung Esslingen traben.] Auch dort hörte man den Postmichel blasen, auch dort sah man eine schemenhafte Gestalt hoch zu Ross, den Kopf unter dem Arm, das Horn in der Hand. [Matthäus von Welz flüchtete erschrocken aus der Stadt, um dem Spuk zu entgehen. In den folgenden Jahren wiederholte sich dieses Ritual an Michaelis und jährlich wuchs die Sorge einen Unschuldigen gerichtet zu haben.]
Mehr als ein halbes Jahrhundert später kam ein alter Mann nach Esslingen, [auf der Suche nach einem Platz im Spital. Als er in der Michaelisnacht dem Geisterreiter begegnete, gab er sich als Matthäus von Welz, Marchthalers Neffe, zu erkennen und gestand den Mord an seinem Onkel aus Habsucht begangen zu haben. Er habe die Tat zeitlebens gebüßt, da ihn der Klang des Horns überall hin verfolgte. Da das Geständnis ihn alle Kraft gekostet hatte tat er] einen letzten Seufzer und starb. Der unschuldig gefolterte und hingerichtete Postmichel aber hatte fortan seine Ruhe."
(Aus: Dorothee Bayer, Esslinger Heimatbuch, S.130-132. Esslingen, 1982.
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